Die Schriftstellerin Ulla Lenze beleuchtet in ihrem neuesten Roman das Leben in den Heilstätten in drei Epochen. Frei-Tickets für die Potsdamer Lesung der Autorin sind vom 2. September 2024 an zu bekommen.
Ein „Lost-Place“ zieht nicht nur Abenteurer und Fotografen an. Nun stehen die ehemals verfallenen Heilstätten Beelitz im Mittelpunkt des Romans „Das Wohlbefinden“. Dafür hat sich die Erfolgsschriftstellerin Ulla Lenze aus ihrer Wahlheimat Buckow nach Beelitz begeben. Herausgekommen ist dabei ein ziemlich dickes Buch.
In ihm erfährt der Leser ganz nebenbei anschaulich und konkret von der Neuartigkeit des Therapieansatzes der Lungenklinik, die auch einfache Stände behandelte. Vor den Toren Berlins wurden vor allem lungenkranke Arbeiter aus Industriegebieten so gut durch die hauseigene Küche aufgepäppelt, dass einige danach nicht mehr in ihre Kleidung passten. Daher gab es für sie extra eine Schneiderei.
Lenzes Geschichte führt anhand der fiktiven Schriftstellerin Johanna Schellmann durch drei Zeitebenen: Sie beginnt 1907 in der Anfangszeit der europaweit beachteten Klinik, setzt einen Schwerpunkt auf die Studentenunruhen der 1968er-Jahre und endet in der Neuzeit bei Johannas Enkelin, die auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum in die sanierten Heilstätten kommt und sich mit der Vergangenheit ihrer Ahnin beschäftigt.
So wird auch der Roman für den Leser eine Beschäftigung mit der Vergangenheit. Dazu gehören damalige Gedankenströmungen. Denn Johanna trifft auf Anna, eine einfache Fabrikarbeiterin, die seherische Fähigkeiten zu besitzen scheint und damit in die Okkultismus-Begeisterung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts passt. Nebenbei erfährt der Leser, wie das Leben der Patienten in den Heilstätten war sowie über den Umgang der Ärzte und Pfleger mit ihnen.
Es scheint auch viel Autobiografisches in dem Roman zu stecken. Lenzes Protagonistin Johanna wirkt wie ihr Alter Ego, die, wie sie, den Anstoß zu einem Buch über die Heilstätten von ihrem Mann erhielt. Übrigens zeigt Lenze, dass damals ein aus der Arbeitsklasse aufgestiegener Arzt dennoch eine Frau aus dem Bürgertum treffen und heiraten konnte. Sicherlich war das nicht alltäglich, aber Clubs für solcherart Gleichgesinnte gehörten ebenso zu Sozial-Utopien wie die Heilstätten. Dort kamen dann auch Johanna und Anna zusammen, weil nach Krankheiten, und nicht nach Stand getrennt, geheilt wurde.
Ebenso sorgte der Okkultismus bei allen Gesellschaftsschichten für Gesprächsstoff. Spirituell sammelte Lenze seit frühester Jugend eigene Erfahrungen durch lange Aufenthalte in Indien. So erscheine diese Passagen über die seherisch veranlagte Anna nicht aufgesetzt, sondern von tieferem Verständnis geprägt.
„Das Wohlbefinden“ wirkt wie ein neuer „Zauberberg“ von Thomas Mann: Bildungsbürgerlich interessant, aber eben nicht nur in der reichen Oberschicht eines Schweizer Sanatoriums spielend, sondern facettenreich bis ins Heute gerückt.
INFO Ulla Lenze: Das Wohlbefinden. Klett-Kotta 2024, gebunden, 336 Seiten, 25 Euro.
Am 24. Oktober liest Ulla Lenze im Bildungsforum Potsdam auf dem Fest zum 50. Bestehen der Bibliothek Potsdam und dem „Internationalen Buch“. Die Buchhandlung an der Brandenburger Str. 41 vergibt Freitickets ab Montag, dem 2. September 2024.