Astrid Flügge führt den Verein für Niederdeutsch im Land Brandenburg. Im Interview äußert sie sich zur Bedeutung des Brandenburger Platt und dessen Schutz durch ein kürzlich beschlossenes Landesgesetz.
Es war ein langer Weg, seit dem 1992 der Europarat beschloss, geschichtlich gewachsene Minderheitensprachen zuzulassen. Daraufhin werden in Deutschland seit 1999 Dänisch, Sorbisch, Friesisch, Romanes und Niederdeutsch (Platt) gesetzlich geschützt und gefördert. Anfang Juli 2024 verankerte das Land Brandenburg Niederdeutsch erstmals in einem Landesgesetz.
Der in Potsdam ansässige Verein für Niederdeutsch, vor zehn Jahren aus Initiativen von Plattfreunden entstanden, fühlt sich dadurch in seiner Arbeit bestätigt. Was nun das neue Gesetz bedeutet, sagt die Geschäftsführerin des Vereins, Astrid Flügge. Die Journalistin gestaltete bereits im Jahr 2008 Radiosendungen auf Platt bei „Antenne Brandenburg“.
Frau Flügge, was ist das Neue an diesem Gesetz?
Astrid Flügge: Das Land erkennt seine Platt-Sprecher an. Außerdem wird die Sprache als ein schützenswertes kulturelles Erbe anerkannt. Doppelsprachliche Ortsschilder brauchen keine extra Verordnungen mehr, sondern sind gesetzlich zulässig. Man kann sich jetzt auch in Plattdeutsch an Behörden wenden. Es besteht die Möglichkeit, Bekanntmachungen in Plattdeutsch zu verfassen.
Wer spricht überhaupt noch Platt in Brandenburg?
Es gibt Sprechergruppen von verschiedenen Varianten, dem Prignitz- und Uckerplatt oder Flämingplatt. Sie haben sich in den 1980er-Jahren zu Initiativen zusammengefunden. Sie wurden Teil des Kulturbunds der DDR und fanden sich nach 1990 in Potsdam im Brandenburgischen Kulturbund wieder. Dabei ist das Fläming-Platt eine Besonderheit, weil es niederländische Siedler seit dem 10. Jahrhundert mitbrachten. Gerade Gemeinden in Wiesenburg und Fredersdorf pflegen die Sprache, ihre Gottesdienste auf Platt sind gut besucht.
Ist Platt eine Mundart, ein Dialekt oder eine eigene Sprache?
Das Plattdeutsche ist eine eigene niederdeutsche Regionalsprache mit eigener Grammatik und eigenen Vokabeln. Kartoffeln heißen beispielsweise in Templin Nudeln, woanders Tüffeln. Platt kommt in den nördlichen Teilen von Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt vor. Es existiert als Küstenplatt-Dialekt in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Welchen Unterschied zum Deutschen gibt es noch?
Plattdeutsch sei näher am Herzen, sagte der 2020 verstorbene Pfarrer Gottfried Winter, der in der Prignitz auf Platt predigte. Die Sprache ist sehr direkt, emotional und bildreich. Dadurch hat sie auch eine andere Möglichkeit, Geschichte anders zu vermitteln als bisher. Denn Sprache ist Teil unserer Identität.
Wie viele Plattsprecher gibt es in Brandenburg?
Es sind einige Tausend. Das ergab 2016 eine telefonische Befragung durch Potsdamer Studenten. Jedoch gibt es dazu keine wissenschaftliche Untersuchung.
Sicherlich sprechen eher ältere Menschen noch Platt.
Unsere Großeltern und viele Eltern unterhielten sich ‚up Platt‘. Aber diese Generationen sterben langsam aus. Es sind vor allem Ehrenamtler, die teils schon über 80 Jahre alt sind und mit Kindern Programme auf Platt einstudieren. Das Gesetz hilft bei solchen Aktivitäten.
Inwiefern?
Früher waren wir auf das Wohlwollen der Eltern angewiesen. Wenn wir aber jetzt für Kurse genügend Kinder zusammenbekommen, dann können es die Schulen nicht mehr ablehnen, weil das Land hinter uns steht. Bisher haben wir nur Arbeitsgemeinschaften in Orten der Prignitz, Ostprignitz, im Barnim und Schulprojekte in Prenzlau in der Uckermark.
Das klingt nach sehr wenig.
Das Fehlen von Niederdeutsch-Lehrern und von Lehrmaterial ist ein großes Problem. In Schleswig-Holstein sieht das anders aus, das ist für uns das Musterland. Auch in Greifswald gibt es einen Studiengang, und in einigen Mecklenburger Schulen wird es unterrichtet. Renate Herrmann-Winter hatte ein Wörterbuch für Mecklenburger Platt gemacht. Aber die Universität Potsdam beschäftigt sich damit nicht. Ein Radioprogramm wäre ebenfalls eine Chance, Platt zu verbreiten. Denn solange Platt noch im Ohr ist, wird es auch auf die Zunge gehen.
Interview: Matthias Busse
INFOAb 4. September 2024 treffen sich Interessierte mittwochs um 14 Uhr zum Potsdamer Plattrunn beim Verein für Niederdeutsch in der Charlottenstraße 31. Alle Termine auf www.platt-in-brandenburg.de