Zwei pensionierte Kinderärzte bieten Hilfe für Menschen an, die im Gesundheitswesen keine Behandlung finden.
Ausgerechnet im Schlaatz gibt es keinen einzigen Kinderarzt. Dabei herrscht in diesem Potsdamer Stadtteil besonders große Not: viele bedürftige Familien, alleinerziehende Mütter mit mehreren Kindern und Flüchtlinge leben dort. Ihnen fehlt oft die Zeit, sich woanders um Arzttermine zu kümmern oder sie wissen schlicht nicht, wie sie an Leistungen des Gesundheitssystems kommen.
Im Rentenalter praktizieren die Ärzte ohne Bezahlung
„Oft heißt es, wir finden keinen Kinderarzt“, weiß Angelica Jacob. Die 75-jährige Fachärztin nimmt sich seit 2015 den gesundheitlichen Problemen der Menschen ehrenamtlich an. Zusammen mit Claus Herrmann, ihrem einstigen Kollegen aus der Kinderstation des Klinikums Ernst von Bergmann, bietet sie mittwochs und freitags Sprechstunden im Büro Kinderarmut in der Kita Kinderland am Bisamkiez 101 an.
Die Einrichtung betreibt die Arbeiterwohlfahrt Potsdam (AWO), die auch für die Obdachlosenunterkunft am Lerchensteig verantwortlich ist. Dort hielt Claus Herrmann ebenfalls seit Herbst 2023 eine Sprechstunde, aber derzeit sei kein Bedarf dafür, weil keine Kinder und Jugendlichen untern den Bewohnern seien, sagt der Arzt.
Drei bis zehn Patienten kommen zu den Sprechzeiten, abhängig von der Infektionslage oder von Weiterempfehlungen. Da sich die Ehrenamtlichen mehr Zeit nehmen können, als es Kassenärzten möglich ist, entdecken sie dabei nicht selten auch chronische Leiden der Eltern. „Am Ende frage ich: Haben Sie noch ein Problem?“, sagt Herrmann. „Wenn uns die Familien vertrauen, erfahren wir, dass sie ebenfalls etwas haben“, ergänzt Claus Herrmann zum sozialen Aspekt ihrer Arbeit. Diejenigen, die sie nicht selbst behandeln können, überweisen sie an ihnen bekannte reguläre Ärzte.
Unterstützt werden die Beiden von zwei Sprechstunden-Schwestern, die ebenfalls im Rentenalter sind. Diese haben die Mediziner auch bei der Staatskanzlei als „Ehrenamtler des Monats“ vorgeschlagen. Nachdem die AWO alle Unterlagen dazu eingereicht hatte, fiel tatsächlich die Wahl auf sie.
Die Ärzte wurden von der Auszeichnung überrascht
Doch davon ahnten die Ärzte nichts. Sie wurden lediglich vorige Woche von der Kita-Leitung wegen einer „Überraschung“ eingeladen. Die war dann auch gelungen, als ihnen die Chefin der Staatskanzlei, Katrin Schneider, die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unterschiebenen Urkunden und einen Geschenkgutschein übergab.
„Daran hatte ich im Traum nicht gedacht“, freut sich Herrmann und lacht: „Jetzt machen wir noch viele Jahre weiter!“
INFOMedikamente und Impfstoffe werden aus Spenden finanziert. Interessierte, die dazu etwas beitragen möchten, können über die Website der Awo-Potsdam www.awo-potsdam.de für das Projekt „Kinderarmut“ mit dem Hinweis “Ärzte” im Nachrichtenfeld spenden.