Die Gemeinschaft und Erinnerungen überdauern die wechselvollen Zeiten.
Es war einmal in einem Land, das es heute nicht mehr gibt. Was geblieben ist, sind die Menschen, die einst als „Erntekapitäne“ rund um Bardenitz, Rietz und Treuenbrietzen auf dem Mähdrescher E 512 vom VEB Kombinat Fortschritt teilweise ohne Fahrerkabine, wenige mit Kabine, unterwegs waren.
Beginnend mit der Gerste waren sie während der arbeitsintensiven Zeit der Getreideernte von Montag bis Sonntag, von morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit und wenn es die Witterung zuließ auch darüber hinaus im Einsatz. Sie passten ihr Leben dem Rhythmus der Natur an.
Der Komplex bestand im Durchschnitt aus etwa zwölf Mähdreschern inklusive Fahrer - beider Geschlechter - sowie sogenannten Springern, die die Stammfahrer für Pausen ablösten. Zum Komplex gehörten zusätzlich ein Werkstattwagen inklusive Fahrer, der vom damaligen KfL (Kreisbetrieb für Landtechnik) gestellt wurde sowie LKW-Fahrer vom ACZ (Agrochemischen Zentrum), die neben den Mähdreschern herfuhren, wenn die Korntanks gefüllt waren und anschließend das Getreide abfuhren.
Stillstand war für die „Erntekapitäne“ tabu. Jede Stunde Trockenheit wurde voll genutzt. Da kam es nicht selten vor, dass die Ernte-Truppe bis ein Uhr nachts unterwegs war. Zum Abschluss der Saison folgte noch ein Mähdrescherball.
Für die gelernten Agrotechniker/Mechanisatoren inklusive Komplexschlosser und Abfahrer waren es schweißtreibende, intensive Wochen, in denen sie mehr Zeit mit den Kollegen verbrachten als mit der Familie. Jahr für Jahr ernteten sie Schlag um Schlag ab - bis zur politischen Wende. Quasi über Nacht stand die berufliche Zukunft infrage. Auch vor den damaligen LPGen machte die Neuorientierung nicht Halt.
Die Zeit der Unsicherheit nutzten viele „Erntekapitäne“ und fingen noch einmal bei null an. Sie suchten nach neuen Wegen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Jahre sind ins Land gezogen, der E 512 gilt längst als historische Erntetechnik, im Komplex sind sie auch nicht mehr unterwegs. Was geblieben ist, sind die Menschen und ihre Geschichten.
Christiane Klink und Gerd Dalichow sind zwei der wenigen, die die Tradition der Erntekapitäne weiterleben lassen. In unregelmäßigen Abständen organisieren sie Mähdrescherfeten, die letzte fand erst im November 2024 statt. Diese Treffen sind mehr als nur Feiern; sie sind eine Gelegenheit, Erinnerungen zu teilen. Fotos werden ausgetauscht, Geschichten erzählt und in Quizrunden wird das Wissen über die alte Erntetechnik aufgefrischt. Doch auch der Verlust schwingt mit, wenn derer gedacht wird, die nicht mehr unter ihnen sind. Die Treffen sind seltener geworden, und die Zahl der Teilnehmer nimmt ab. Dennoch planen sie, sich weiterhin zu versammeln, solange es geht. Denn das Gefühl, das sie einst verband – der Stolz, die Gemeinschaft, die Erlebnisse – lässt sie nicht los. Sie sind die Hüter einer Geschichte, die nicht vergessen werden soll.