Herrschaftssitze der Westbrandenburger Parklandschaft erzählen viel über Ansichten in vergangenen Zeiten. Ein neuer Bildband entschlüsselt diese in den Bauten verborgenen Geheimnisse.
Besucher der zahlreichen Schlösser von früheren Kurfürsten, Königen, Kaisern und Prinzen bemerken wohl kaum die nahezu lückenlose gartenkünstlerische Verbindung aller dieser einstigen Herrschersitze. „Die ausgreifende Parklandschaft, die im 19. Jahrhundert in Potsdam und Berlin entstand, ist international einmalig und gehört deshalb seit 1990 zum Unesco-Weltkulturerbe“, betont Christoph Martin Vogtherr, der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) in seinem Grußwort zum Bildband, „Die Welt der preußischen Schlösser“.
Staatsvertrag trat zum 1. Januar 1994 in Kraft
Anlässlich des nun 30-jährigen Bestehens der SPSG blickt Samuel Wittwer, der Direktor der Abteilung Schlösser und Sammlungen, auf die „Glanzlichter der Baukunst in Berlin und Brandenburg“, wie es im Untertitel formuliert ist. Zu Beginn des Jahres 1995 trat der Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg in Kraft. Er führte nach dem Ende der deutschen Teilung die „Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci“ in der DDR und die Westberliner „Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin“ zusammen.
Seitdem liegt die Verantwortung um die Fürsorge der innerhalb von etwa 300 Jahren geschaffenen Kulturlandschaft wieder in einer einheitlichen Verantwortung. So hatten es im Jahr 1927 der vormalige Freistaat Preußen und Angehörige des 1918 abgesetzten Herrschergeschlechtes der Hohenzollern vereinbart gehabt.
In den vergangenen drei Jahrzehnten wurden viele Spuren der Umnutzung von Schlossbauten in der DDR und noch vorhandene Kriegsschäden weiter beseitigt sowie inzwischen fällige Sanierungen vorgenommen. Insbesondere ab 2008 beschleunigten diese Bautenrettung die Sonderinvestitionsprogramme, für die bis zum Jahr 2030 der Bund, Brandenburg und Berlin 565 Millionen Euro bereitstellen. Daher war es nun Zeit, einmal den aktuellen Zustand der Herrschaftssitze im Bild zu dokumentieren.
Aber nicht nur das. Der besondere Wert des Buches liegt in den Texten Wittwers. Erstmals wird darin konsequent dargelegt, wie die Architektur die Weltsicht und den Herrschaftsanspruch der Bauherren demonstriert. Die Anordnung der Räume und ihre Ausstattung beachten zwar auch individuelle Vorlieben und dynastische Inszenierungen der Ahnenverehrung. Der Autor erklärt an vielen Details, dass Vasen, Ornamente, Medaillons und Wandgemälde nicht nur zufällige, schöne Dekoration sind, sondern dem Besucher den Kosmos des jeweiligen Landesherren offenbaren: etwa politische Ambitionen des ersten selbst gekrönten Königs, Friedrich I. (1657-1713), die sich in den neuen Porzellankabinetten von Oranienburg und Charlottenburg herauslesen lassen.
Oder die kleine Bibliothek Friedrichs II. (1712-1786) in Sanssouci, die allein durch die bewusste Wahl von Materialien und Antiken zu einem „Rundtempel der Weisheit“ wurde. Hinzu kamen wirkungsvoll angewendete technische Innovationen – angefangen bei fließend warmem Wasser in Schloss Charlottenburg für Friedrich I. bis hin zu den Dampfmaschinenhäusern seit Friedrich Wilhelm III. (1770-1840), die zuerst die Parks bewässerten und für Wasserspiele sorgten, aber dann auch die Römischen Bäder Friedrich Wilhelms IV. (1795-1861) bedienten, obwohl dort nie gebadet wurde.
Den größten Raum gibt Samuel Wittwer dem Berliner Schloss Charlottenburg und den Potsdamer Schlössern. Weitaus weniger Platz räumt der Autor Oranienburg, Caputh, Königs Wusterhausen, Rheinsberg und Paretz ein.
INFO Samuel Wittwer: Die Welt der preußischen Schlösser – Glanzlichter der Baukunst in Berlin und Brandenburg. Herausgegeben von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Hardcover 280 Seiten mit 268 Fotografien. 49 Euro.